Donnerstag, 22. September 2016

Bänz, der Titelheld



Bänz ist grad zurück aus Interlaken. Total aufgestellt. Gestern die zweite Aufführung seines neuen Programms, die Bühne riesig, die Stimmung fröhlich. 850 Personen an langen Tischen, ein Mix aus Open-Air-Festival und Dorffest. «Was draussen im Land abgeht, davon haben viele Journalisten in Zürich keine Ahnung», sagt Bänz Friedli, der ebenfalls ein Journalist in Zürich war. Doch ihn zog es auch in die Provinz. Ob als Journalist, Kolumnist oder Kabarettist – im Grunde tue er immer dasselbe: «Ich beobachte. Höre zu. Frage nach.» Und dann erzählt er von diesen fremden Welten.

Nach dem Auftritt in Interlaken traf er André und Paul zum Bier. Mit André hatte er vor 36 Jahren in Uettligen BE ein Grümpelturnier gegründet, wo er bis heute mitspielt. Den Paul hatte er damals im Gemeinderat von Wohlen bei Bern abgelöst. Gerade 20 war er, als er gewählt wurde – zum jüngsten Exekutivpolitiker der Schweizer Geschichte.

Diesen Ruf brachte er nie mehr los. Als Friedli letztes Jahr mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde, dem wichtigsten Preis für Kleinkunst im deutschsprachigen Raum, sagte der Laudator: «Er kennt den Feind.» Und wie. Der Ehemalige entlarvt die Amtierenden, teilt mal nach links aus, dann nach rechts. Toni Brunner, der damalige SVP-Präsident, klopfte ihm im Zug nach Bern auf die Schulter – zum Dank. Denn er weiss, dass Satiriker den Toggenburger Toni noch populärer machen.

Im neuen Programm nimmt Bänz Friedli Simonetta Sommaruga beim Wort, der es im geräumigen Eigenheim mit ihrem Partner zu eng geworden ist. Soeben hat sie in der Altstadt eine «Zweitwohnung» bezogen; dabei kämpft ihre Partei gegen kalte Betten.
Das ist «ke Witz», wie sein Programm heisst. Bänz Friedli tritt damit unter anderem im Dezember am Arosa Humor-Festival auf (siehe Leserangebot S. 20). Die Wirklichkeit, sagt er, sei so absurd, dass er nichts überzeichnen müsse. «Was tun nach dem Einschlag einer Atombombe?», fragt er. Und zitiert die Anleitung aus den 1980er-Jahren, die Zivilschützer Friedli nie vergessen wird: «Den atomaren Staub mit einem Schlauch von den Dächern spülen und das Vieh gut abspritzen.»

Spricht Bänz Friedli über sein Leben, tönts planlos. Das eine habe sich aus dem andern ergeben. Den Clown spielte er erstmals als Zwölfjähriger im Turnverein von Wohlen. Als später in Uettligen ein altes Haus mit Jugendraum vom Abriss bedroht war, engagierte er sich in der Jugendgruppe Vulkan, die Studiofilme ins Dorf brachte und Lesungen organisierte. So lernte der kleine Bänz den grossen Franz Hohler kennen. Heute sind sie Berufskollegen. «Ich wurde von einer Gruppe von Jungen, die sich Vulkan nannte, nach Uettligen eingeladen», erinnert sich Franz Hohler. «Unter ihnen war der Schüler Bänz Friedli, und ich hatte damals den Eindruck, dem sei es Ernst mit allem, was er anpackte. Es erstaunt mich demnach nicht, dass Bänz Friedlis Vulkan auch heute noch fröhlich weiterspeit, und ich freue mich darüber.»

«Schnurre» gelernt hat Friedli mit 19 beim Berner Lokalradio Förderband, wo er den «Pseudotschingg» gab, der dem hiesigen Publikum italienische Cantautori vorstellte. Seine Schallplatten kaufte er im Keller des Berner Ladens Bebop, wo Polo Hofer Stammgast war und ihn mit der Musik der US-Südstaaten vertraut machte. Im Bro Records, einem anderen Berner Plattenladen, begegnete er öfter Kuno Lauener, dem Sänger von Züri West. Beide kamen aus dem gleichen Antrieb: Sie wurden von einer mysteriösen Schönen bedient, deren Namen «ich bis heute nicht weiss».

Treu sind sich Kuno und Bänz als ewig leidende Fussballfans der Berner Young Boys. Zieht Bänz heute seinen gelbschwarzen YB-Schal auf der Bühne hervor, braucht er nichts zu sagen, sein Publikum lacht.

Im Basler «Tabourettli» sass eines Abends im Publikum: Emil, den Bänz als Bub im Circus Knie bewundert hatte. Heute schallt das Lob zurück: Friedli sorge für «eine Blutauffrischung des Schweizer Kabaretts – eine kulturelle Wohltat», sagt Emil Steinberger.

All dies gelernt hat Bänz Friedli «by doing», ohne Ausbildung. Sprache und Musik, das sind seine Pfeiler. Dank dem Blues im Blut hat er ein Gefühl für das richtige Timing, das eine Pointe erst zum Witz macht. Zum Beweis, wie Rhythmus die Comedy prägt, zitiert Bänz Friedli, geboren 1965, aus einer Nummer von Cés Keiser, verstorben 2007: «Und e Schegg und e Bon und e Kindertrumpetli.» Cés Keiser sei, so der Musikjournalist, der erste Rapper der Schweiz.

Den eigenen Sprung auf die Bühne schaffte Friedli zwanglos. Als Kolumnist lebte er sich in zwei Hauptrollen hinein: zuerst als Pendler, dann als Hausmann. Nach der Geburt der beiden Kinder Hans und Anna Luna zog Bänz 1998 mit seiner Frau Barbara von Bern nach Zürich. Genauer: in den Vorort Schlieren. Fortan pendelte er in die Limmatstadt, schaute genau hin, hörte zu und protokollierte für die Gratiszeitung «20 Minuten».
Zeitgleich arbeitete er als Musikjournalist beim damaligen Nachrichtenmagazin «Facts». Dort schrieb er einmal einen gnadenlosen Verriss über Mundartrocker Gölä. Der aufkommende Star reagierte grandios: Er druckte den Verriss auf sein T-Shirt und schaltete, so gekleidet, ein ganzseitiges Inserat in der Zeitschrift «Facts» unter dem Titel «Fägts?».
Bänz hintersann sich. Plötzlich war er ein arroganter, städtischer Journalist, der offenbar keine Ahnung hatte, weshalb etwas die Leute bewegt. «Ich musste hingehen und es mir anschauen. 1200 Menschen sangen im Gemeindesaal von Horgen mit wässrigen Augen Göläs Hit ‹E Schwan, so wiss wie Schnee› – ich bekam Hühnerhaut.» Daraufhin erklärte «Facts» Gölä zum Mann des Jahres 1998. Autor: Bänz Friedli.

Daheim in Schlieren kam es heraus wie bei andern Doppelverdiener-Paaren auch: Die Rollenverteilung klappte nicht doppelt. Bänz zog die Konsequenz. Während seine Frau weiterhin für ihren Job als Produzentin und Filmerin ins Fernsehstudio Leutschenbach pendelte, wurde er Hausmann. Und avancierte just in dieser Rolle zur Ikone. Auf seine Kolumne im «Migros-Magazin» erhielt er wöchentlich Dutzende Briefe seiner Fans, ausnahmslos weiblichen Geschlechts. Er ging auf Lesetour, 600 Auftritte. Bis ihm eines Abends auffiel: «Jetzt habe ich die ganze Zeit frei geschnurrt und kein einziges Wort abgelesen.» Er war zum Kabarettisten geworden, ohne es beabsichtigt zu haben.

«Gömmer Starbucks?» hiess 2013 sein Programm, mit dem er als Kabarettist bekannt wurde. 200 Vorstellungen ausverkauft, Bänz Friedli präsentierte den Jugendslang. Von Aarberg bis Ilanz klärte er Eltern auf, wie kreativ, klug und beflissen die heutige Jugend sei. Aus dem «Hausfrauenflüsterer», wie ihn das «NZZ Folio» einmal betitelt hat, wurde der «Jugendversteher». Lehrer besuchten mit Schulklassen seine Vorstellungen, es war ihm fast peinlich.
Im neuen Programm macht er «ke Witz» mehr. «Ich bin einfach Bänz Friedli», sagt er. Und hält uns Zuschauern unter dem Motto «Bänz Friedli gewinnt Zeit» einen Spiegel vor: wie wir vor lauter Zeitgewinn so viel Zeit sparen, dass am Ende gar keine mehr übrig bleibt.

Dieser Text ist soeben in der “Schweizer Familie” erschienen.