Freitag, 31. Oktober 2008

Die Peitsche des Alan Greenspan

Schuld an der Finanzkrise sei der ehemalige US-Notenbankpräsident, heisst es allenthalben, der stets neues Geld pumpte, das dann in verlotterte Häuser floss, bis die Blase platze. Logischerweise. Das hatten doch alle kommen sehen.

Als Alan Greenspan im Amt war, kommentierte Philipp Löpfe, heute einer der schäfsten Greenspan-Kritiker, am 27. Oktober 1998 im Tages-Anzeiger:

"Glücklicherwiese ist Alan Greenspan kein Ideologe. Unter seiner Führung hat das US-Fed monetaristischen Ballast über Bord geworfen, zu einer pragmatischen Geldpolitik gefunden und damit den Aufschwung der 90er Jahre überhaupt ermöglicht."

Am 6. Januar 2001 doppelte Löpfe nach. Auf Seite 1 im Tages-Anzeiger lobte er Greenspan dafür,

"dass der Chef der amerikanischen Zentralbank weiterhin gewillt ist, pragmatisch die Geldhahnen zu öffnen, wenn die volkswirtschaftliche Situation dies erfordert".

Serge Gaillard, damals Chefökonom beim Gewerkschaftsbund, erkannte, dass Greenspan nicht nur stur die Inflation bekämpfe. Im Gegensatz zu en meisten europäischen Notenbanken sei ihm das Ziel der Vollbeschäftigung wichtiger gewesen (zitiert aus dem Magazin vom 21. April 2001, in dem eine mehrseitige Eloge zu Alan Grennspan erschien, verfasst von Res Strehle).

Sogar die Weltwoche stimmte in den Chor ein:

"Wie jeder gute Zirkusdompteur lässt Greenspan regelmässig die Peitsche knallen, vermeldete sie am 19. August 1999.

Montag, 27. Oktober 2008

Das Nationalbankziel (2)



Die Nationalbank habe bis jetzt am besten auf die Finanzkrise reagiert. Heisst es rundum. Stimmt das?

Die Nationalbank gibt ein Ziel bekannt, das sie nicht erreicht.Sie möchte den Libor-3-Monatszins in einem Band "zwischen 2 und 3 Prozent" halten, sagt sie seit einigen Wochen. Das gelang ihr tagelang nicht, das gelingt ihr zur Zeit knapp. Der Libor liegt mit 2,9 Prozent am obersten Rand des Bands. Darum müsse der Zins weiter sinken, forderte gestern die NZZ am Sonntag.

Just das aber wird die Nationalbank nicht schaffen. Ihr Leitzins, der Libor, bildet sich auf dem freien Interbankenmarkt in London. Diesen Libor kann die Nationalbank nicht direkt steuern, selbst wenn sie wollte.

Also darf es niemanden wundern, wenn der Wert des Frankens aus dem Ruder läuft. Der Euro, gemessen in Schweizer Franken, fällt abrupt (siehe Grafik oben). - Warum bloss? Weil "die Märkte" der Nationalbank voraus sind. Alle Welt sieht doch, dass es der Schweizer Nationalbank nie gelingen wird, ihren Leitzins so stark zu senken, wie sie möchte. In der Folge erhält der Franken im Vergleich zum Euro mehr Wert.

Ich sehe nur eine Lösung: Roth, Hildebrand & Jordan müssen ein plausibles Ziel vorgeben. Eines, das sie auch einhalten können. Angesichts des Sturms auf den Märkten müssen sie zu einem Wechselkursziel übergehen. Indem sie den Euro auf "deutlich über Fr. 1.47" festlegen.

Es gibt dazu eine historische Parallele:

Am 1. Oktober 1978, einem Sonntag Abend, gab der damalige Notenbankpräsident Fritz Leutwiler in der Tagesschau bekannt, die Nationalbank werde, "wenn nötig unbegrenzt", an den Devisenmärkten intervenieren, um die damalige D-Mark "eindeutig über 80 Rappen"
zu halten. Das war ein Wagnis, die Geldmenge stieg, die kurzfristigen Zinsen sanken ins Bodenlose unter 1 Prozent. Später, als die Teuerung auf über 7 Prozent kletterte, musste die Nationalbank korrigieren: indem sie die Schrauben anzog, worauf die kurzfristigen Zinsen auf über 10 Prozent hinaus schossen. Es kam zur Rezession, und seither nennt man die 78er Intervention einen "Sündenfall", welchen man tunlichst vermeiden wolle.

Nur ist die Lage heute mindestens so dramatisch wie 1978. Vorletzte Woche musste die Nationalbank den Finanzplatz samt UBS retten. Und bald bleibt ihr - in der Folge des Run auf den Franken - wohl nichts anderes übrig, als auch noch den Werkplatz zu retten. Indem Roth, Hildebrand & Jordan auf dem Devisenmarkt "wenn nötig unbegrenzt" intervenieren.

Samstag, 25. Oktober 2008

The show goes on

Vor einer Woche machte ich mich hier lustig über ein Inserat, im Economist erschienen, prominent plaziert: "The times are changing. Our commitment doesn't. Nun stelle ich fest: Dieser Spot war der Realität entsprungen . Die Zeiten ändern sich, die UBS bleibt sich treu.

Diese Woche nämlich schaltet die inzwischen teilverstaatlichte Schweizer Grossbank folgendes Inserat, iwiederum prominent platziert im Economist auf Seite 19:

"Two of the most powerful words in investment banking:
You & Us

Post zum Thema.

Freitag, 24. Oktober 2008

Moritz!

Der berühmteste Blogger der Schweiz könnte mit einem kleinen Beitrag seiner Partei zwei grosse Dienste erweisen:

Er könnte Raum schaffen für neue Leute mit anderen Inhalten: weniger urban, weniger intellektuell, aber näher bei den Büezern. Ein klassisches linkes Profil, hat Präsident Levrat erkannt, ist heute zukunftsträchtig.

Gleichzeitig könnte er einer urbanen Parteisektion das akute Personalproblem lösen. M.L., 62 Jahre jung, Theatergänger, Poet, Musemsbesucher, erfahrener Vater, geschliffener Redner, ist prädestiniert für das präsidiale Ressort Kultur der grössten Stadt der Schweiz.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Knigge für Reiche

Es tut jedem Politiker, Think Tanker oder Journalisten gut, seine Weisheiten von gestern heute nochmals zu lesen. Ich zum Beispiel habe über Lohn-Exzesse sicher Sätze geschrieben, die ich heute so nicht mehr sagen würde.

Dachte ich. Dann nahm ich mein Büchlein Klassenwechsel, erschienen im Februar 07, hervor , und las auf Seite 107:

Es gebe nur wenig Orte auf der Welt, wo sich die Reichen in ihren Villen so sicher fühlen dürfen wie in der Schweiz. Noch schöner hätten sie es, wenn sie die herrschenden Sitten und Regeln einhalten. Dann würden sie nicht nur in Ruhe gelassen, sondern geachtet.

Der Schweizer Knigge für Reich umfasse nur gerade drei Punkte:

"Regel 1: Man muss seinen Erfolg erklären können." Darum stehe ein Nicolas G. Hayek eben besser da als ein Hedgte-Fund-Manager.

"Regel 2: Man darf nicht zu schnell zu reich werden". Das erlebt - resp. widerlebt hat ein Martin Ebner. Aber auch ein paar andere.

"Regel 3: Man soll der Gesellschaft wieder etwas zurückgeben". Letzteres auf seine Art einlösen muss noch Marcel Ospel.

Das nachlesend schliesse ich das Büchlein. Mein kleiner Knigge gilt immer noch.

Dienstag, 21. Oktober 2008

VEB UBS

Ich möchte kein Klagen hören über die Verpolitisierung der UBS. Die Herren haben selber " Bern" um Hilfe gebeten. Zur Quittung mischt jetzt die politische Linke mit, meldet sich der zwangspensionierte Preisüberwacher, kritisiert eine aus der eigenen Partei ausgeschlosssene Bundesrätin den Grossen Vorsitzenden Kurer, worauf sich dieser artig entschuldigen muss. Heute geht es um unanständige Boni, morgen um den richtigen Hypozins, übermorgen um die einseitige Aufhebung des Bankgeheimnisses.

Immerhin ist die UBS noch kein volkseigener Betrieb, wie wir einen VEB aus der damaligen DDR kennen. Aber die Schweiz ist auch keine Diktatur. In einer Demokratie wird jede auch nur ansatzweise verstaatlichte Grossbank zum Spielball der politischen Kräfte.

You & Us: Ein Slogan wird Wirklichkeit.

Montag, 20. Oktober 2008

Invers

Pierre, ein alter Kumpel aus dem Journalismus, ruft mich an. Er freue sich, dass ich wieder einmal über "inverse Zinsen" schreibe. Das hätte ich doch früher auch getan. Er habe zwar nie ganz begriffen, was "inverse Zinsen" sind, aber er erinnere sich , dass ich damals nachträglich Recht bekommen habe.

Nun will ich kein Rechthaber sein, aber ich erkläre hiermit: Wenn ich heute ein Haus kaufe, möchte ich die Zinsen, die zur Zeit tief sind, möglichst lange "mitnehmen". Ich schliesse darum eine Festhypothek ab. Bei der Migros-Bank zahle ich für eine zeijährige 3,35 Prozent Zins, für eine zehnjährige 4,4 Prozent. Das ist normal, das ist wie bei einer Versicherung. Ich muss einen Aufpreis zahlen. Dazu bin ich bereit, weil ich dafür die Gerantie erhalte: 4,4 Prozent Zins während zehn Jahren.

Das zeigt: Im nationalen Hypothekarmarkt läuft alles normal. Hier sind die langfristigen Zinsen höher als die kurzfristigen. Anders auf den globalen Geld- und Kapitalmärkten: Dort herrscht ein Ausnahmezustand. Dort sind die kurzfristigen Geldmarktzinsen über die langfristigen Kapitalmarktzinsen hinaus geschossen. Dieses Überschiessen widerspricht der ökonomischen Logik. Dieses Überschiessen ist ein Ausnahmezustand, der nicht ewig andauern kann und auch nicht ewig andauern wird.

Das letze Mal erlebt haben wir einen solchen Ausnahmezustand in den 80er Jahren während der "Ära Lusser". Als Markus Lusser Präsident der Schweizerischen Nationalbank war, habe ich als aktiver Journalist die Quartale abgezählt, während denen die kurzfristigen Geldmarktsätze über die langfristigen Kapitalmarktsätze hinaus schossen. Um zu zeigen: Das muss sich normalisieren, je schneller um so besser.

Leider gibt es einen entscheidenden Unterschied: In der Ära Lusser waren die Zinsen "invers", weil Markus Lusser eine betont restriktive Politik ausprobierte. Er verknappte das Geld, kurzfristig. Daraufhin schossen die kurzfristigen Zinsen hoch, die langfristigen blieben unten. Das konnte geschehen, weil alle Leute wussten: Markus Lusser wird irgendwann, wenn er keine Angst mehr hat vor der Inflation, nachgeben - und seine Zügel lockern.

Heute erleben wir das Gegenteil. Heute sind die Zinsen "invers", weil die heutige Nationalbank eine expansive Poltik ausprobiert. Sie wirft Milliarden von Liquidität auf den Markt, kurzfristig. Trotzdem bleiben die langfristigen Zinsen unten.Das passiert,weil alle Leute ahnen: Bald wird die Nationalbank Angst bekommen: Angst vor der Inflation. Spätestens dann wird sie ihre Zügel anziehen.

Dann aber droht die wahre Krise. Nicht auf den Finanzmärkten, sondern in der Realwirtschaft.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Das Nationalbankziel

In den letzten Tagen schrieb ich mehrmals über die kurzfristigen Zinsen -den Libor-Drei-Monatssatz. Vermutlich haben alle gemeint, das sei eine rein technische Diskussion. Etwas für kleine Blogger.

Nun sehe ich in der Samstags-NZZ auf Seite 25, dass sich die seriöse Presse ebenfalls Sorgen macht. "Der Nationalbank läuft der Leitzins aus dem Ruder", lautet der Titel .

Oberstes Ziel der Nationalbank ist die Verhinderung von Inflation. Dieses Ziel will die Schweizer Nationalbank auf indirektem Weg erreichen: Sie gibt einen Leitzins vor - und hofft,der Rest ergebe sich von selbst.

Jetzt taucht just bei diesem Leitzins das Problem auf. Der Libor-Drei-Monatssatz solle "zwei bis drei Prozent" betragen, gab die Schweizer Nationalbank am Mittwoch vor einer Woche vor. Seit Tagen aber beträgt der Libor mehr als drei Prozent. Das sei "nicht plausibel", schreibt die NZZ.

Schlimmer: Die Nationalbank kann den Drei-Monats-Libor gar nicht direkt steuern. Der bildet sich auf dem freien Interbanken-Markt in London, welcher seit Monaten durch Liquiditätsspritzen aller Notenbanken mit Milliarden überschwemmt wird. Doch all das verpufft, weil sich die Geschäftsbanken selber nicht trauen und sich gegenseitig keine Kredite mehr geben.

Noch schlimmer ist: Der kurzfristige Libor ist, ob in Franken, Dollar oder Euro, inzwischen sogar höher als der Langfristzins, zu welchem sich überschuldete Staaten fröhlich weiter verschulden dürfen.

Ich wiederhole mich ungern, aber ich warne nochmals: Aus dieser Sackgasse führen nur zwei Auswege :

a) Die Nationalbank bringt den Leitzins unter Kontrolle - in das von ihr formulierte "Band zwischen zwei und drei Prozent". Je früher, desto besser.

b) Die langfristigen Zinsen steigen, steigen stark. Das jedoch werden nicht nur die überschuldeten Staaten, sondern auch einige private Unternehmen zu spüren bekommen.

Ich setze mal auf a).

Samstag, 18. Oktober 2008

The show must go on

Im neuen Economist, prominent platziert auf Seite 8, sehe ich das Inserat:

You & Us.
The world changes. Our commitment doesn't.

Im Text heisst es:

"...You can be sure that at UBS some things remain constant. Our adherence to the simple virtues of listening and unerstanding..."

Und so weiter & so fort.

Freitag, 17. Oktober 2008

Lord Keynes, vierte Folge

Am Tag 1 nach der Teilverstaatlichung der grössten Schweizer Bank herrscht Gelassenheit im ganzen Land. Von Economiesuisse bis Avenir Suisse: kein kapitalistisches Manifest von nirgendwo. Kein Ökonomieprofessor meldet sich zu Wort, nicht einmal Sivio Borner. Gerold Bührer, der in der Weltwoche von gestern eine Nonchalence von vorgestern an den Tag legte, sucht womöglich einen neuen Job.

Jetzt, da Profis und Journis die Rezession voraussagen, reagiere ich - Lord Keynes folgend - antizyklisch. Indem ich den Gedanken wage, dass ein neues Zeitalter angebrochen sein könnte. Drei Dinge nämlich fallen mir, auf: die Gelassenheit, die Ruhe, die Routine - bei mir selber und in meinem direkten Umfeld. Klar, die Leute auf der Strasse rufen aus, "die Volksseele kocht", wie es in solchen Momenten heisst. Aber einige andere haben offenbar gelernt, mit monetären Krisen umzugehen. Vielleicht kommt es auch diesmal nicht so schlimm heraus, wie es 1929 heraus gekommen war.

Im Oktober-Crash 1987 war ich auf Kreta. Ich kaufte die Financial Times und musste laut lachen: so stark waren die Kurse gepurzelt. Zwei Jahre später , im Oktober 1989, ich sass in Locarno auf der Piazza Grande und las die NZZ, durfte ich nochmals laut lachen. Darauf folgte der Zerfall der indonesischen Rupiah, die Dotcom-Blase, 9/11.Eine Krise nach der andern.

Was habe ich daraus gelernt? - Dass sich Unruhen von den Finanzmärkten zwar auf die Realwirtschaft übertragen. Aber nicht derart stark, dass in jedem Fall eine Massenarbeitslosigkeit ausbrechen muss wie in den 30er Jahren.

Gleichzeitig behalte ich - Lord Keynes folgend - die Zinsen im Auge . Wer sich heute für drei Monate Geld ausleihen will, muss einen höheren Zins bezahlen, als ein überschuldeter Staat, der sich auf zehn Jahre hinaus noch stärker verschulden will, als er heute bereits überschuldet ist. Diesen Gegensatz nennen Experten "invers", und inverse Zinsen können nie ewig invers bleiben. Die kurzfristigen Zinsen müssen auf kürzere Frist sinken und/oder die langfristigen Zinsen werden auf längere Frist steigen.Stark steigen. Am Ende werden die Staaten, die sich in Folge der Krise auf den Finanzmärkten und in Folge der Kriege im Irak und Afghanistan fröhlich weiter verschulden, die Steuern erhöhen, nur um Zinsen bezahlen zu können.

Preisfrage:

Kommt es

a) zur globalen Rezession?
b) zum neuen Zeitalter, in dem sich monetäre Krisen nie mehr auf die Realwirtschaft übertragen?

Zutreffendes bitte anstreichen!

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Nächste Folge

"When the facts change, I change my mind. What do you do, Sir?", fragte Lord Keynes.

Wenn die grosse UBS beim Staat anklopfte, steht die Krise vor der Tür. Zu gross ist die alt ehrwürdige UBS, um fallen gelassen zu werden.


Aber was habe ich kleiner Blogger davon?

Ich habe am 30. Mai zum Kurs von Fr. 25.40 hundert UBS-Aktien gekauft. Ich habe der UBS-Spitze vertraut, die damals den Eindruck erweckte, das Schlimmste sei vorüber. Heute bin ich klüger. Zum Beispiel darf ich den offiziellen Bericht der Eidg. Bankenkommission nachlesen, aus dem ich den Schluss ziehe, dass man am besten niemandem vertraut, schon gar nicht einem Schweizer Bankier. Sähe ich einen solchen aus dem Fenster springen , spränge ich diesem sicher nicht mehr hinterher. Denn es gibt dort kaum etwas zu verdienen.

Trotzdem werde ich meine hundert UBS-Aktien, die heute, am Donnerstag der lockeren Bundesmilliarden, auf 19 Franken pro Stück abgesackt sind, behalten. Solange Couchepin & Co. ihren Wählern - uns Steuerzahlern - vorgaukeln, dass wir am Ende gar nichts drauflegen werden, so lange glaube ich als Kleinaktionär an eine Gewinnchance. Schliesslich bin ich kein UBS-Bankier, der kein Risiko kennt.

Mein persönliches Risiko beträgt: 100 x Fr. 25.40 = Fr. 2540 .

Sonntag, 12. Oktober 2008

Lord Keynes (Fortsetzung)



Wenn die Fakten ändern, wechsle ich die Meinung. An dieses Motto von John Maynard Keynes will ich mich halten. Also rekapituliere ich, was ich am 8. Juli geschrieben und als "Megatrend" verkauft habe:

„Blicken ... wir auf die Zinsen, erfahren wir: ob kurz- oder langfristig, ob Euro, Dollar oder Schweizer Franken, alles ist stabil, alles normal, nichts invers“.



Das war einmal. Heute ist nichts mehr normal und stabil, heute sind die Zinsen, ob in Euro, Dollar oder in Schweizer Franken, invers. Es ist paradox: trotz der wiederholten Liquiditätsspritzen aller Notenbanken sind die kurzfristigen Zinsen höher als die langfristigen. Warum bloss?

Weil wir in eine Falle geraten sind, die man seit Keynes „Liquidity Trap“ nennt. , Der richtige Keynes erkannte,



"dass es Situationen gibt, in denen die Menschen aus psychologischen Gründen eine absolute Präferenz für Liquidität entwickeln. In einem solchen Fall sind die Zentralbanken machtlos. Sie können noch so viel Geld in die Wirtschaft pumpen – es gelingt ihnen nicht, den Zins zu drücken. Denn die privaten Akteure horten das Geld und halten dadurch den Zins hoch."

Genau das ist passiert, seit Neuem sogar in der Schweiz. Wie die oben eingefügte Grafik der Schweizer Nationalbank klar zeigt, schiessen die kurzfristigen Zinsen (Drei-Monats-Libor, grüne Kurve) seit einem Monat über die langfristigen Bundesobligatonen (blaue Kurve) hinaus.

Somit korrigiere ich meine Einschätzung vom 8. Juli: Das ist nicht mehr normal. Was sich hier abspielt, hat Lord Keynes einmal so umschrieben: „Eine Nationalbank kann die Pferde zum Brunnen führen. Aber saufen müssen die Pferde selber.“


And what do I do , Sir? Als kleiner Blogger schaue in den nächsten Wochen nicht mehr auf den SMI oder den Dow Jones, ich schaue auf die 3-Monats-Libor. So lange die kurzfristigen Sätze höher die die langfristigen übersteigen, bleibt die Lage Ernst.

Lord Keynes

Das Zitat des Tages finde ich im Leitartikel der NZZ von gestern. Es stammt von John Maynard Keynes, einem Ökonomen, der aus dem Börsenkrach von 1929 sofort die richtigen Schlüsse zog. John Maynard Keynes also sagte laut NZZ von gestern:

"When the facts change, I change my mind. What do you do, Sir?"

Derselbe Keynes übrigens mass die Lage der Konjunktur immer daran, wie dick die Samstagsausgaben der Zeitungen ausfielen. Die NZZ von gestern war nicht allzu dünn; demnach steht es um uns alle nicht allzu schlecht.


Fortsetzung folgt

Freitag, 10. Oktober 2008

Rechts verlinkt

Mit meiner Blogliste würde ich mich links positionieren, meint ein Besucher. Dabei möchte ich mich mit meiner Blogliste gar nicht positionieren, sondern auf drei, vier Blogs hinweisen, die mir linkwürdig erscheinen.

Müsste ich eine Liste mit den drei besten Rednern der Schweiz erstellen, würde ich wohl Moritz Leuenberger aufführen. Das heisst nicht, dass ich ihn für den besten Bundesrat der Schweizer Geschichte halte. Schriebe hingegen Christoph Blocher einen Blog, hätte er durchaus Chancen, in meiner Liste aufgenommen zu werden.

PS: Soeben habe ich auf meiner Blogliste (siehe rechts) einen vierten Namen hinzugefügt. Paul Krugman kommentiert das internationale Domino-Geschehen. Auch Paul Krugman muss nicht ewig auf meiner Liste bleiben. Der Zollikoner Klaus Stöhlker zum Beispiel war auch schon drauf. Ich habe ihn inzwischen entfernt. Nicht weil er mir als zu links erschien, sondern als zu wenig interessant.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

War dann mal weg

Für vier Nächte nur. Keine Spur von Panik dort. Die Leute waren höflich, freundlich, mindestens so fröhlich wie in Zürich. Ich sah keinen einzigen Run auf keine einzige Bank. Löhne werden ausbezahlt, sonst würde nicht so eifrig konsumiert. Neue Bauten werden aus dem Boden gestampft, keine Lotterbuden. Andern Häusern sieht man den Lauf der Zeit etwas an, aber das ist keine Prise Krise, sondern eine Prise Romantik. Oliven werden geerntet, und zum Dank gab's am Sonntag eine Messe in der Kirche. Kreditkarten bleiben aktzeptiert. Aus den Bancomaten spukt es keine Franken. Aber 1 Euro ist weiterhin 1 Euro . Wirklich: keine Spur von Panik dort.

Samstag, 4. Oktober 2008

Rezession?

Man ist sich einig, vom Migros-Magazin bis zu Blick am Abend. Jetzt kommt die Rezession. In den USA, in der EU, sogar in der Schweiz.

Dabei wissen wir aus Erfahrung: Prognosen stimmen meistens nicht. Insbesondere dann nicht, wenn sie während stürmischen Börsen gewagt werden.1929 hat man die Auswirkung des Aktiencrashs auf die Realwirtschaft eher unterschätzt. 1987 und Ende der 90er Jahre eher überschätzt.

Ich bleibe optimistisch. Klar, Wachstumslokomotiven, das sind "die andern": China, Indien, Russland Osteueropa. Aber die Zeiten sind vorbei, da wir Schweizerinnen und Schweizer im hintersten Wagen des internationalen Wachstumszug fuhren oder gar abgehängt wurden.

Warum wächst die Schweizer Wirtschaft wieder? - Die These des Think Tanks Avenir Suisse ist weder neu noch originell. Aber die Personenfreizügigkeit mit der EU sorgt dafür, dass jederzeit neue, gut ausgebildete und hoch motivierte Ausländer in der Schweiz arbeiten dürfen. Zudem wird oft übersehen, dass die Steuern in vielen Kantonen und Gemeinden in den letzten fünf bis zehn Jahren gesenkt wurden, teilweise massiv. Davon profitiert haben nicht nur "die Reichen", sondern auch viele Familien mit Kindern. Die Zinsen sind ebenfalls tief, und sie dürften, dank der Politik der Zentralbanken, tief bleiben.Auch an der Lohnfront zeichnet sich Positives ab: Die Kaufkraft wird steigen, da gewisse Löhne in gut laufenden Branchen zulegen - was sich die Arbeitgeber locker leisten können, so lange die Löhne eben nur in den gut laufenden Branchen ansteigen.

Nein: wir dürfen das Migros-Magazin und den Blick am Abend dorthin entsorgen, wo solche Blätter hingehören: ins Altpapier.