Sonntag, 28. Juni 2015

#Drachme

Wie lange braucht die griechische Regierung, bis die neuen Noten gedruckt sind?

Übermorgen wäre schön!

Schön für die Schuldner wie auch ihre Gläubiger. Damit der Sinn für die Realitäten einkehrt.


Samstag, 20. Juni 2015

Alois Carigiet: Der unbekannte Bekannte




Schellen-Ursli kennt jedes Kind. Die vor siebzig Jahren erschienene Geschichte vom kleinen Engadiner Knaben und von seiner Glocke wurde millionenfach verkauft und in 14 Sprachen übersetzt, von Afrikaans bis ins Persische. Und damit Uorsin, wie der Held mit der Zipfelmütze im Original heisst, auch in seiner engsten Heimat nicht vergessen geht, gibt es sogar Versionen in vier rätoromanischen Idiomen.

Nur einer ist fast entschwunden: Alois Carigiet, der Zeichner des Buches.

Jetzt, dreissig Jahre nach Carigiets Tod, kommt es zum Revival. Im Landesmuseum in Zürich wurde soeben eine Alois- Carigiet-Ausstellung eröffnet, im Oktober folgt das grosse Kino. Oscar-Preisträger Xavier Koller führt beim neuen Schellen-Ursli-Film Regie. Mit einem Budget von 5,6 Millionen Franken ist es einer der teuersten Schweizer Filme. Wird Uorsin damit zum Weltstar? Nicht in der bis anhin überlieferten Form. Als Stoff für Hollywood taugt die Engadiner Gute-Nacht-Geschichte kaum. Zu simpel gestrickt ist sie, zu schnell erzählt. «Um 90 Minuten zu füllen, mussten wir noch etwas hinzugeben», sagt Xavier Koller. Also gibt es im Film ein paar Schwenker mehr, bis der tapfere Ursli das Happy End einläutet und den Chalandamarz-Umzug anführt, mit dem die Dorfjugend jeweils am ersten März den Winter vertreibt.

Die Geschichte spielt in Guarda im Unterengadin und nirgendwo sonst. Das weiss niemand so genau wie der Zeichner Alois Carigiet: «Ich habe mich nicht etwa hingesetzt und einfach so gemalt», erzählte er einmal im Schweizer Fernsehen. «Für den Schellen-Ursli bin ich innerhalb von sechs Jahren x-mal nach Guarda gegangen.» Mit grosser Liebe zum Detail hat er im Buch Schellen-Urslis Universum kre­iert: bemalte Häuser, Ursli in Bergschuhen beim Melken der Ziege, den abenteuer­lichen Holzsteg, die Nacht bei den Hasen und Füchsen auf dem Maiensäss. Und das geschnitzte Tor daheim, an das Ursli am frühen Morgen klopft. «Schellen-Ursli ist von der Bedeutung her der gleichwertige Bruder von Heidi», sagt Hans ten Doornkaat, Dozent an der Hochschule Luzern für Design und Kunst. Er hat das neue Buch zur Ausstellung im Landesmuseum herausgegeben.


Ein armer Bergbub, der auszieht, um Grosses einzuheimsen: Diese Geschichte spiegelt auch Alois Carigiets eigene Biografie. Seine Eltern sind Bergbauern im Dorf Trun in der Surselva, zwischen Ilanz und Disentis. In Chur absolviert Alois, 1902 als siebtes von elf Kindern geboren, eine Lehre als Dekorationsmaler. Allein zieht er weiter nach Zürich. Mit einer Mappe voller Zeichnungen in der Hand heuert er bei einem «Reklameinstitut» an, wie eine Werbeagentur damals genannt wird. Bald machen Carigiets Plakate schweizweit die Runde, sagenhaft wirken vor allem seine vermenschlichten Tier­figuren: Ein Gockel spaziert in Frack und weissem Hemd – eingekleidet, von PKZ. Ein weisser Hund, ausstaffiert mit Hut, Lederhandschuhen und rotem Schlips, macht Männchen vor dem Herrenmodegeschäft Fein-Kaller. Eine Kuh darf bei Carigiets Plakaten auch mal grün sein. Und auf die Frage, was das denn bedeuten soll, antwortete der Künstler kühl: «Das ist eben eine Kuh, die Gras gegessen hat.»

So avanciert Carigiet zum Reklamekünstler, der mit 25 Jahren im Zürcher Seefeldquartier ein eigenes Atelier mit sechs Angestellten eröffnet. Sie gestalten Titelbilder für die «SBB-Revue» und die Zeitschrift «Schweizer Spiegel», Doppelseiten im Katalog des Spielwarengeschäfts Franz Carl Weber oder Inserate für Haldengut-Bier. Legendär werden Carigiets Tourismusplakate: Keck öffnet eine Dame ihre Jacke und wirbt mit der Sonne im Herzen für die «innere Kraft durch Winter­ferien». Sogar aus Chicago soll Carigiet ein Stellenangebot erhalten haben. Kunsthistoriker nennen Illustratoren von Werbe­plakaten oft abschätzig «Gebrauchsgra­fi­ker». Doch Alois Carigiet engagiert sich, wo er einen Sinn sieht: im Zweifel für das Einheimische, mit Rücksicht auf die Schwachen. «Lohnabbau Nein», proklamiert er 1933. Plakativ kämpft er gegen Schwarzarbeit und sammelt «für die Kinder der Arbeitslosen», die zu dritt in ­einem Bett schlafen.

Zu dieser Zeit verkehrt Alois Carigiet in der, wie man heute sagen würde, «kreativen Szene» Zürichs. Eng befreundet ist er mit dem Texter Max Werner Lenz, beide gehören 1934 zu den Mitbegründern des legendären Cabarets Cornichon. Alois, der sein Schinkenbrot gern mit Cornichons isst, sorgt für die Bühnenbilder und das Logo: eine Essiggurke mit spitziger Nase und auf Zehen. Bald wird Alois begleitet von Zarli, dem jüngeren Bruder, ebenfalls gelernter Dekorationsmaler. Er folgt Alois nach Zürich und startet als dessen Gehilfe. Zarli schaut bei den Proben nicht bloss zu, er mischt sich ein und bringt die anderen zum Lachen. «Was uns amüsiert, wird auch das Publikum amüsieren», sagen sich die neuen Freunde und schicken Zarli auf die Bühne. Sein erstes Chanson: «Die Ausländer bringen ihren Dreck hinein. In die Schweiz. In die Schweiz. Wie kann da der Teppich immer sauber sein. In der Schweiz.» Die Pointe läuft hinaus auf den «Dreck an den eigenen Schuh’n». Das Cabaret Cornichon positioniert sich politisch klar – gegen Hitler und die Nationalsozialisten.

Nach den Proben wird gefeiert. Wie gesellig es zu- und hergegangen sein muss, kann man noch heute besichtigen: Wer bei der Nationalbank in Zürich um die Ecke ins Restaurant Metropol tritt und die Treppe abwärts zu den Toiletten steigt, steht plötzlich in einem Kellerraum, der früher als «Degustationsstübchen» genutzt wurde. «Der Raum konnte nur durch das grosse Weinfasslager des Restaurants Fraumünsterkeller betreten werden und war damit ausser Reichweite der strengen Sperrstunden-Kontrollen», erklärt eine kleine Tafel an der Wand. Punkt Mitternacht mussten alle Beizen und Bars in der Zwingli-Stadt schliessen. 1938 hat Alois Carigiet den Raum mit frivolen Wandbildern gestaltet. «Von Wein, Weib u. Gesang» lässt sich noch entziffern, daneben eine leicht bekleidete Frau mit Champagnerglas.


Dass Alois und Zarli (bis heute) oft verwechselt werden, ist nichts als logisch: «Ich bin der linke Fuss meines Bruders Alois», sagte Zarli einmal. Doch beide durchlaufen ihre eigenen Karrieren: Zarli wird Schauspieler mit Hauptrollen in Schweizer Filmklassikern wie «Hinter den sieben Gleisen» oder «Wachtmeister Studer». Und mit dem Lied «Miis Dach isch dr Himmel vo Züri» landet er einen Evergreen. Alois darf für die Schweizer Landesausstellung 1939 das offizielle Plakat gestalten: Die Schweizer Fahne weht hoch in der Luft, der Blick geht nach vorn über den Zürichsee zu den Schneebergen.

«Schellen-Ursli» erscheint 1945. Obschon Carigiet oft als Autor genannt wird, stammt die Geschichte von der Erzählerin Selina Chönz. Jon Pult, ein engagierter Kämpfer für das Rätoromanische, bringt die beiden in Kontakt. Pult schreibt das Vorwort, und Carigiet dankt ihm: «Am Anfang meiner Arbeit als Kinderbuchmaler stand das romanische Wort. Die Melodie dieser Sprache war es, die in mir, der ich selber aus den Bergen stamme, die Sehnsucht wach werden liess nach dem verlorenen Paradies der dort verlebten Kindheit.» Just dorthin zieht er sich später zurück. In Platenga GR in der Nähe von Trun arbeitet er erstmals als freischaffender Künstler. Geld hat er nun genug verdient. Seine Arbeit als Gebrauchsgrafiker sieht er rückblickend skeptisch: «Es war ein Abgleiten auf die Bahn der Routine, ein Weg im Kommerziellen – ein Weg ins Leere.» Er wechselt das Genre, malt mit Öl und beginnt «als ausgesprochener Autodidakt». Aber der klare Strich verrät Carigiets Wurzeln: «Die Zeichnung stützt in meiner Malerei die Farbe.»

In der Schweiz sind seine Ölbilder weniger bekannt als in Japan. Vor 13 Jahren, als ihm in Tokio, Osaka, Kyoto und Yokohama Ausstellungen gewidmet waren, erschien die japanische Kaiserin persönlich zur Vernissage und kaufte sich ein Bild. Heute reisen japanische Touristen ab und zu mit Bussen nach Trun, um sich Carigiets Spuren anzusehen, etwa sein Geburtshaus oder die Gemälde an der Wand des Wohnhauses in Flutginas. In der Totenkapelle versteckt sich das letzte Bild des 1985 verstorbenen Malers, die «Mutter Gottes». Ein Museum zeigt Bilder und Originalzeichnungen des Kinderbuchs «Zottel, Zick und Zwerg», das Carigiet nicht «nur» gemalt, sondern auch geschrieben hat. Auf dem Friedhof von Trun sind die Gräber von Alois und Zarli inzwischen aufgelöst. Aber die beiden Kreuze aus Eisen sind noch da. Davor verneigt sich manchmal ein japanischer Tourist.

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Ausstellungen

Landesmuseum Zürich. Alois Carigiet: Kunst, Grafik & Schellen-Ursli; bis 3. 1. 2016, Di–So, 10–17, Do bis 19 Uhr. www.landesmuseum.ch

Museum Sursilvan Cuort Ligia Grischa, Trun GR. Mo, Mi, Sa, 14 bis 17 Uhr. www.trun.ch

Bücher über Carigiet

Hans ten Doornkaat (Hrsg.): «Alois Carigiet. Kunst, Grafik, Schellen-Ursli», Orell Füssli,19.80 Fr.

Beat Stutzer: «Carigiet. Die frühen Jahre», AS Verlag, 48 Fr.

Dienstag, 16. Juni 2015

#Grexit

Wie meistert die  schwache griechische Regierung den Grexit? Rein technisch? Hans Werner Sinn kennt die Antwort. Über Nacht wird in allen Verträgen, ob Guthaben oder Schulden, das Wort Euro durch Drachme ersetzt. Dann müssen am nächsten Morgen nur noch neue Noten und Münzen in Umlauf kommen.

So etwas traue ich  sogar der schwachen griechischen Regierung zu.

Freitag, 12. Juni 2015

Kilian Rüthemann und sein Werk

Das Kunsthaus Baselland hat eine auffähllige Fassade. Und einen geheimnsivollen Vorplatz.
Ansicht