Was haben Sie heute vor?
Am Nachmittag führe ich in
Kilchberg ein Traugespräch. Das mache ich vor jeder Hochzeit. Oft
stehen wir in der Kirche Probe, das hilft dem Paar gegen die
Nervosität. Soeben habe ich im Fernsehstudio das “Wort zum
Sonntag” aufgenommen.
Waren Sie da auch nervös?
Eine Portion Nervosität ist nötig,
auch bei jeder Predigt. Ich muss aufpassen, dass ich nicht nicht so
schnell rede, wie ich mir das gewohnt bin. “2000 Worte pro
Sekunde”, stand in der Maturzeitung über mich.
“Das Wort zum Sonntag”, die
Sendung zu Religion und Gesellschaft, ist vier Minuten kurz. Über
was haben Sie diesmal gesprochen?
Ich habe ich auf Facebook gefragt:
Welches Thema wünscht Ihr? Es kamen Ideen für zehn Jahre. Nun habe
ich die traurige Lebensgeschichte eines Verdingkindes erzählt, da
stehen wir als reformierte Kirche in der Verantwortung.
Sie sind sehr aktiv auf Facebook.
Ich mache das nebenher, etwa beim
Zugfahren. Eine verrückte Welt. Man kommt mit Menschen in Kontakt
und tauscht sich aus. Ich schätze das Interaktive an den social
media.Was bedeutet Zeit im
theologischen Sinn?
Im Buch “Kohelet”, steht der
bekannte Text zum ThemaAlles hat seine Zeit.” Wir haben eine Zeit
fürs Weinen, eine Zeit fürs Lachen. Es gibt nicht bloss Happy Time,
das Leben ist ein ständiges Entstehen und Vergehen. Gerade deswegen
ist es so wichtig, dass wir das Hier und Jetzt so gut wie
menschenmöglich füllen.
Sie haben im Frühling einer
tschetschenischen Familie während sechs Wochen Kirchenasyl geboten.
Warum?
Zwei Mal hatte die Polizei versucht,
diese Familie zwei Mal mit zwangsweise auszuschaffen. Das wollten wir
ein drittes Mal verhindern, damit die Kinder nicht total
traumatisiert werden. Das ist gelungen. Wir hatten aber natürlich
auch die Hoffnung, dass die Behörden einlenken und die Familie in
der Schweiz bleiben kann.
Wie geht es der Familie heute?
Vor allem für die Kinder ist es
schwer. Sie leben in einem für sie komplett fremden muslimischen
Land. Sie reden kein Wort Russisch, dürfen darum nicht in die
Schule. Die Mädchen müssen Kopftücher tragen. Bei uns hätte
Marha, das älteste, bald die Gymiprüfung gemacht, so gute Noten
hatte sie. Sie kam gerne mit ihrer Schwester Linda in die Kirche,
weil es sie interessiert hat.
Sie ecken mit Ihrem Engagement
an, manchmal auch mit einem “Wort zum Sonntag”.
Es ist mir ein Anliegen, Stellung zu
beziehen::für ein multikulturelles Zusammenleben. Oder für eine
“Ehe für alle”, auch für Schwule und Lesben. Ich lege dar, dass
der Islam im Kern keine
gewalttätige Religion
ist. Und wenn ich als Pfarrerin “gleicher Lohn für Mann und Frau”
fordere, löst das bereits von gewissen Kreisen einen Shitstorm aus.
Wie oft beten Sie? Das
Gespräch mit Gott ist ist für mich ein ständiger Begleiter, das
kann ich nicht an- und abstellen wie einen Wecker
Wann stehen Sie am Morgen auf?
Um sieben läuten die Glocken, wir
wohnen ja direkt bei der Kirche. Am ersten Morgen bin ich gestanden
im Bett, inzwischen empfinde ich den Klang als wunderbar. Mein Mann
überhört es sogar, er führt als Gastronom drei Beizen und geht
noch später ins Bett als ich.
Was täten Sie, wenn Ihnen drei
Wochen geschenkt würden?
Den Jakobsweg ablaufen zusammen mit
Freunden und meinem Hund bis ans Ziel Santiago
de Compostela.
Sibylle Forrer, 36, ist
reformierte Pfarrerin in Kilcherg ZH. Ihre nächsten und letzten
“Wort zum Sonntag”: Samstag 13. August, und Samstag, 10.
September, SF1, 20 Uhr.
Dieses Gespräch wurde in der neuen Ausgabe der "Schweizer Familie" gedruckt. Dabei wurden leider ein paar Korrekturen von Sibylle Forrer nicht übernommen. Sorry. Das hier ist die "abgesegnete" Version.