Freitag, 29. Juli 2016

Zur Zeit: : Ein Gespräch mit der Pfarrerin Sibylle Forrer

Was haben Sie heute vor?
Am Nachmittag führe ich in Kilchberg ein Traugespräch. Das mache ich vor jeder Hochzeit. Oft stehen wir in der Kirche Probe, das hilft dem Paar gegen die Nervosität. Soeben habe ich im Fernsehstudio das “Wort zum Sonntag” aufgenommen.
Waren Sie da auch nervös?
Eine Portion Nervosität ist nötig, auch bei jeder Predigt. Ich muss aufpassen, dass ich nicht nicht so schnell rede, wie ich mir das gewohnt bin. “2000 Worte pro Sekunde”, stand in der Maturzeitung über mich.
Das Wort zum Sonntag”, die Sendung zu Religion und Gesellschaft, ist vier Minuten kurz. Über was haben Sie diesmal gesprochen?
Ich habe ich auf Facebook gefragt: Welches Thema wünscht Ihr? Es kamen Ideen für zehn Jahre. Nun habe ich die traurige Lebensgeschichte eines Verdingkindes erzählt, da stehen wir als reformierte Kirche in der Verantwortung.
Sie sind sehr aktiv auf Facebook.
Ich mache das nebenher, etwa beim Zugfahren. Eine verrückte Welt. Man kommt mit Menschen in Kontakt und tauscht sich aus. Ich schätze das Interaktive an den social media.Was bedeutet Zeit im theologischen Sinn?
Im Buch “Kohelet”, steht der bekannte Text zum ThemaAlles hat seine Zeit.” Wir haben eine Zeit fürs Weinen, eine Zeit fürs Lachen. Es gibt nicht bloss Happy Time, das Leben ist ein ständiges Entstehen und Vergehen. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir das Hier und Jetzt so gut wie menschenmöglich füllen.
Sie haben im Frühling einer tschetschenischen Familie während sechs Wochen Kirchenasyl geboten. Warum?
Zwei Mal hatte die Polizei versucht, diese Familie zwei Mal mit zwangsweise auszuschaffen. Das wollten wir ein drittes Mal verhindern, damit die Kinder nicht total traumatisiert werden. Das ist gelungen. Wir hatten aber natürlich auch die Hoffnung, dass die Behörden einlenken und die Familie in der Schweiz bleiben kann.
Wie geht es der Familie heute?
Vor allem für die Kinder ist es schwer. Sie leben in einem für sie komplett fremden muslimischen Land. Sie reden kein Wort Russisch, dürfen darum nicht in die Schule. Die Mädchen müssen Kopftücher tragen. Bei uns hätte Marha, das älteste, bald die Gymiprüfung gemacht, so gute Noten hatte sie. Sie kam gerne mit ihrer Schwester Linda in die Kirche, weil es sie interessiert hat.
Sie ecken mit Ihrem Engagement an, manchmal auch mit einem “Wort zum Sonntag”.
Es ist mir ein Anliegen, Stellung zu beziehen::für ein multikulturelles Zusammenleben. Oder für eine “Ehe für alle”, auch für Schwule und Lesben. Ich lege dar, dass der Islam im Kern keine gewalttätige Religion ist. Und wenn ich als Pfarrerin “gleicher Lohn für Mann und Frau” fordere, löst das bereits von gewissen Kreisen einen Shitstorm aus.
Wie oft beten Sie? Das Gespräch mit Gott ist ist für mich ein ständiger Begleiter, das kann ich nicht an- und abstellen wie einen Wecker
Wann stehen Sie am Morgen auf?
Um sieben läuten die Glocken, wir wohnen ja direkt bei der Kirche. Am ersten Morgen bin ich gestanden im Bett, inzwischen empfinde ich den Klang als wunderbar. Mein Mann überhört es sogar, er führt als Gastronom drei Beizen und geht noch später ins Bett als ich.
Was täten Sie, wenn Ihnen drei Wochen geschenkt würden?
Den Jakobsweg ablaufen zusammen mit Freunden und meinem Hund bis ans Ziel Santiago de Compostela.

Sibylle Forrer, 36, ist reformierte Pfarrerin in Kilcherg ZH. Ihre nächsten und letzten “Wort zum Sonntag”: Samstag 13. August, und Samstag, 10. September, SF1, 20 Uhr.

Dieses Gespräch wurde in der neuen Ausgabe der "Schweizer Familie" gedruckt. Dabei wurden leider ein paar Korrekturen von Sibylle Forrer nicht übernommen. Sorry. Das hier ist die "abgesegnete" Version.