Heute gebe ich mich wieder einmal total
gouvernemental, indem ich mich voll und ganz hinter den Bundesrat stelle. Ich
weiss, das ist in diesen Zeiten nicht attraktiv. Da stimmt man besser in den Chor der Opposition ein, welche den Bundesrat als "konfus", "handlungsunfähig", "konzeptlos" oder wie auch immer bezeichnet.
Aber ich stelle fest: Unsere Regierung ist mehr Wert, als alle Oppositionellen denken.
Das zeigt der Wirbel rund um die geplante Reform der Mehrwertsteuer. Ich
weiss, auch das ist kein attraktives Thema. Steuern sind
dschungelmässig "wirr", "kompliziert" und aus Sicht der Betroffenen immer "ungerecht".
Aber der Bundesrat plant jetzt ausnahmsweise einen klugen und gewaltigen Schritt nach vorn - während die geballte Opposition von links bis rechts einen ewig tieferen Satz für unser tägliches Brot konservieren möchte.
Dabei ist längst klar: Wer den Armen helfen will, gibt den Armen das Geld am besten direkt. Dann kommt es vielleicht an. Und hilft sicher mehr als jeder Sondertarif für das Ticket ins
Fussballstadion.Wer "Ausnahmen" für sich beansprucht, muss diese Ausnahmen definieren und sollte genau wissen, wo die "Ausnahmen" beginnen und wo sie aufhören. Das führt bekanntlich dazu, dass unser Steuersystem so "wirr", so "kompliziert" und so "ungerecht" wird, wie es ist.
Ich kann hier gerne aus meinem "Unternehmeralltag" erzählen, was im Gegensatz zu meiner
gouvernementalen Haltung sogar populär ist. Ich bin im Nebenamt Buchverleger, zusammen mit zwei Partnern, die ebenfalls im Nebenamt Buchverleger sind. Diesen Herbst wollen wir ein Buch samt CD des Schweizer
Slampoeten Simon
Libsig herausgeben. Inzwischen haben wir erkannt: für Bücher gilt der tiefere Sondersatz von 2,4 Prozent, für CD's der Normalsatz von 7,6 Prozent.
Die Folge: als Verleger im Nebenamt müssen wir nun mit dem
Libsig CD-Buch mindestens so viel Geld verdienen, dass wir uns einen Steuerberater leisten können, der mit der
Eidg. Steuerverwaltung, Abteilung Mehrwertsteuer, in Bern abzuklären versucht, zu welchem Satz unser kleines Werk des
Slampoeten Libsig zu zu besteuern sei. So etwas nennt sich "Kulturförderung", die dafür gesorgt hat, dass Bücher zu der vielen "Ausnahmen" gehören, die bei der heutigen Mehrwertsteuer mit einem tieferen Sondertarif davonkommen .
Zurück zum ursprünglichen Thema "
gouvernemental". Die geplante Mehrwertsteuerreform
demonstriert , wie wenig der Bundesrat in der Schweiz zu sagen hat. Das ist nicht erst so, seit die
SVP in die Opposition gegangen ist, das war schon immer so. Die Schweiz ist eine direkteDemokratie - uund keine indirekte wie die die Slowakei. Dort kann die Regierung unter Stichworten wie "einfach", "keine Ausnahmen", "gleicher Tarif für alle" eine
grosse Reform einführen. Die Slowaken nannten es "
Flat Tax".
Jetzt will der Bundesrat l wenigstens für die Mehrwertsteuer dasselbe: "einfach", "keine Ausnahmen", "gleicher Satz für alle". Der neue einheitliche Satz von 6,1 Prozent wäre sogar tiefer als jeder Sondersatz für Brot, Bücher und sonstwas in jedem andern Land der EU. Ich finde es
grossartig, dass der Schweizer Bundesrat so etwas Revolutionäres überhaupt anpackt, aber das tut hier nichts zur Sache Der Bundesrat hat ohnehin keineMacht, seinen Plan durchzubringen. Denn die Macht hat bei uns die Opposition.
Die Opposition: das sind weder die
SP noch die
SVP, weder die Buch- noch die Gemüsehändler, die alle für ihre jeweilige Klientel Sonderregelungen
heraus holen möchten. Die Opposition: das sind wir, das Volk.
Vor ein paar Jahren versuchte der liberale
Think Tank
Avenir Suisse, eine Debatte anzuzetteln über die Frage, ob die Schweiz noch
reformfähig sei, wenn das Volk jedes noch so kluge Vorhaben destruktiv killen kann. Heute stelle ich fest, dass sich "die Liberalen" mit andern Fragen beschäftigen, zum Beispiel mit
Streitereien darüber, wer noch als "Liberaler" durchgeht und wer nicht mehr mehr.
Dagegen möchte ich festhalten:
Ja, ich bin für die Direkte Demokratie. Ja, ich will, dass das Volk das letzte Wort behält. Ja, ich nehme es in Kauf, dass der Bundesrat mit seiner Mehrwertsteuerreform scheitert, obschon das ausnahmsweise eine gute Idee wäre, wie sie sonst höchstens Reformländer wie die Slowakei oder die Ukraine durchbringen. Ja, ich bin ein
Jasager. Ja, ich bin
total gouvernemental. Ja, ich glaube sogar daran, dass letztlich das Volk Ja sagen wird zur
grossen Mehrwertsteuer-Reform.
Schliesslich hat das Volk n der Schweiz bis jetzt meistens klüger entschieden, als die Oppositionellen denken können.
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